
Die Taucher lassen sich gemäss meinen bisherigen Erfahrungen in zwei Kategorien unterscheiden. In Westeuropäer und Osteuropäer. Viele Westeuropäer fragen, was wir an Fischen sehen können. Bedächtig bewegen sie sich im Wasser, sind fasziniert von den Lebewesen und bedacht darum, mit ihren Flossenschlägen nichts aufzuwirbeln. Nach dem Tauchgang erzählen die Gäste mit leuchtenden Augen, was sie gesehen haben und bedanken sich für den Tauchgang. Viele Osteuropäer fragen, was wir an Fischen jagen können (was in Norwegen erlaubt ist). Sie packen schon beim ersten Tauchgang ihre Harpunen aus, schiessen auf alles, was sich bewegt, spiessen die Fische auf ihre Dorne auf. Nach dem Tauchgang erzählen sie voller Stolz, wie erfolgreich ihre Jagd war – und verspeisen die kleinen Fische nur selten.
Vor jedem Tauchgang erwähne ich, dass ich die Tiere nur mit der Kamera «jage», und dass Taucher, die mit mir unterwegs sind, das bitte respektieren. Heute hat ein Pole während dem Tauchgang plötzlich sein Messer gezückt, eine kleine Flunder, die auf ihre Tarnung vertraut hat, erstochen, und hat ihr noch unter Wasser den Kopf abgeschnitten. Die anderen Taucher meiner Gruppe haben fleissig alle Jakobsmuscheln eingesammelt, die ich während früheren Tauchgängen den anderen Gästen gezeigt habe.
Mit vergeht jede Freude, mit solchen Leute zu tauchen, ihnen die Lebewesen näher zu bringen – im Gegenteil, ich versuche ausser Algen und Seesternen nichts zu zeigen. Wenn dann beim Wracktauchgang die Frage kommt, ob ich mit meiner professionellen Kamera ein Erinnerungsbild machen kann, um ihnen das – selbstverständlich gratis – zu mailen. Was ist dann wohl meine Antwort?
Nachtrag: ein Taucher aus dieser Gruppe kam später zu mir, zeigte Verständnis für meine Haltung und sagte, er würde beim Tauchen nie einen Fisch harpunieren, sondern die Fische nur anschauen. Wenn er Hunger verspüre, gehe er in Geschäft und kaufe sich Fisch.
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Max (Mittwoch, 04 Juni 2014 13:03)
äusserst verständlich.